Turbo-Infarkt durch Schmierungsmangel
Turbolader sind harte Brocken – selbst unter extremsten Bedingungen bringen die technisch komplexen Bauteile Höchstleistungen: Drehzahlen der Welle von über 300.000 U/min, Abgastemperaturen bis über 1000°C und Ladedrücke über 2,5 bar sind völlig normale Werte. Und diesen Strapazen muss ein moderner Turbolader über viele tausende Kilometer und Jahre zuverlässig standhalten.
Doch das Turbolader-Leben hängt am seidenen Faden: an der dünnen Ölzulaufleitung! Obwohl sie meist nur wenige Millimeter Durchmesser hat, ist sie extrem wichtig. Ein Engpass kann hier verheerende Folgen haben. Vergleichen wir den Turbolader mit dem menschlichen Herz, so entspricht die Vorlaufleitung einer Arterie. Beim Mensch wird das Herz mit Blut versorgt, beim Fahrzeug der Lader mit Motoröl – ist die Leitung verstopft, kommt es in beiden Fällen zum Infarkt.
Turbo-Infarktgefahr - Vorsicht bei Verengungen im Vorlauf
1. Ablagerungen
Durch Alterung und Hitzeeinwirkung bilden sich Verkokungen im Zulauf und drosseln den Durchsatz zum Turbolader. Irgendwann reicht diese Minimalschmierung nicht mehr aus – die Lager fangen an sich festzufressen.
Daher: Turbolader immer mit Leitung wechseln, fehlende oder gelöste Isolierungen unbedingt ersetzen.
2. Abknickungen
Vor allem flexible Ölleitungen knicken früher oder später. Diese plastische Verformung lässt sich nicht wieder in die richtige Form zurückbringen. Auch hier kommt es zu Versorgungsengpässen.
Daher: verbogene oder abgeknickte Leitungen unbedingt ersetzen
3. Abdichtungen
Absolutes No-Go bei der Turbo-Reparatur sind flüssige Dichtmittel. Sie können den Zulauf verstopfen und die feinen Ölbohrungen im Lagergehäuse zusetzten. Wer solche Mittel beim Einbau nutzt, ist selbst nicht ganz dicht!
Daher: nur die beigefügten Dichtungen verwenden – und sonst nichts
Druckabfall ist tödlich für Turbolader
Wie die Kurbelwelle, Kolben, Hydrostößel usw. benötigt der Turbolader einen bestimmten Öldruck. Erst durch das unter Druck stehende Motoröl funktioniert der Lader korrekt. Zwischen der Welle und den Gleitlagern entsteht ein Schmierfilm, auf dem die Welle quasi „schwimmt“. Es entsteht so gut wie kein Verschleiß, denn beide Lagerpartner berühren sich nicht. Störungen in der Ölversorgung machen sich zuerst beim Turbolader bemerkbar, denn er ist das schwächste Glied im Ölkreislauf. Andere Lagerstellen sind weniger belastet und vor allem größer dimensioniert. Fällt der Öldruck unter Volllast aus, dauert es nur den Bruchteil einer Sekunde und der Turbolader ist hinüber. Häufigste Ursachen sind defekte Ölpumpen sowie blockierte Regelventile, die den Öldruck je nach Drehzahl anpassen ( siehe TM 04/2016).
Daher gilt: Öldruck und die geförderte Ölmenge prüfen; den Druck auch unter verschiedenen Lastzuständen kontrollieren
Ein "krankes" Umfeld schadet dem "gesündesten" Turbo
Schmierungsmangel kann auch trotz einer freien Ölvorlaufleitung und perfekter Ölqualität entstehen. Nämlich wenn es zu Störungen im motorischen Umfeld des Turbos kommt: zum Beispiel durch einen zugesetzten Diesel-Partikelfilter (DPF). Dadurch, dass der gesättigte DPF einen solch hohen Gegendruck entwickelt, können die Abgase nicht mehr ungehindert aus dem Motor in den DPF strömen. Folglich suchen sie sich den Weg des geringsten Widerstands – und der ist durch die Turbinenseite des Turboladers zurück in die Ölwanne. Dabei passieren sie das turbinenseitige Radiallager, verdrängen den lebenswichtigen Ölfilm. So entsteht eine Mangelschmierung, die Lagerpartner berühren sich, die Welle beginnt zu fressen und blockiert zuletzt. (Mehr Infos gibt’s hier: „Wenn der Turbo Ladehemmung hat“ und TM 03/2016)
Daher: immer Beladungszustand des Partikelfilters prüfen, ggf. regenerieren oder ersetzen
Gefährlich für den Turbolader: schlechtes Öl
Die Ölqualität spielt heutzutage eine enorme Rolle. Vor allem in modernen Dieselmotoren werden spezielle Zusätze benötigt. Ohne diese Additive kann es zu teuren Schäden am Motor kommen. Darüber hinaus sind dem Öl reinigende Zusätze beigefügt. Diese verhindern das Festsetzen von Ölkohle und sonstigen Rückständen oder lösen diese. Wird hier gespart, leidet der Turbolader zuerst. Minderwertiges oder altes Öl kann zu erhöhter Ölkohlebildung führen. An den Radiallagern des Turboladers wirken diese Rückstände dann wie Schleifmittel – der Verschleiß nimmt extrem zu.
Daher: stets den Kunden auf die Wichtigkeit hochqualitativen Motoröls aufmerksam machen